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Sonntag, 20. März 2011

EGDU oder: Strasser tut, was man von ihm erwartet hat

Der EU-Abgeordnete, ÖVP-Politiker und ehemalige Innenminister Ernst Strasser ist zurückgetreten. Nicht, weil er sich für irgendwas schämt, sondern weil sein Parteichef Josef Pröll, dem man aus menschlichen Rücksichten gewünscht hätte, dass er seine Lungenembolie in Tirol ohne derartige Störungen auskurieren könnte, es ihm ultimativ nahegelegt hat.

Einige Details über diese Geschichte habe ich soeben auch bei Suite101 veröffentlicht. Die schmutzigen Details sind mittlerweile bekannt, und die einschlägigen Videos haben inzwischen, erwartungsgemäß, ihren Weg zu YouTube gefunden (Video 1, Video 2). Was man dort sieht und hört, ist in seiner plumpen, arroganten Direktheit wirklich haarsträubend. Es wird selbst für Herrn Strasser schwierig sein, sich da herauszureden. Zumal das natürlich nicht nur Folgen in Österreich, sondern vor allem auch auf EU-Ebene haben wird. Untersuchungen wurden bereits eingeleitet.

Aber es lohnt sich -- wenigstens, sofern man gute Nerven hat --, darüber nachzudenken, was für eine Politikerkaste wir uns da eigentlich herangezüchtet haben. Bei der hierzulande üblichen Titelsucht wär's doch ganz nett, einen neuen Titel hinzuzufügen. Moderne Menschen sind ja zumindest bei der Namens- und Titelgebung proamerikanisch. Das äußert sich beim Namen darin, dass heute jeder Hausmeister (pardon! jeder Mitarbeiter einer Reinigungsfirma, es gibt ja in Wien keine Hausmeister mehr) einen sogennannten Middle Name hat, der mit einem Initial abgekürzt wird. War er vorher der Pepi Havlicek, dann ist er jetzt der Josef A. Havlicek, selbst wenn das "A" nur für "Armutschkerl" steht oder für was anderes, der Körpermitte Naheliegendes. Beim Titel ist es so, dass man moderne Ami-Titel als Buchstabenkombinationen (die keiner versteht) hinter dem Namen anführt, was wieder an das obige "A." gemahnt.
So könnte es also z.B. heißen: "Dr. Ernst L. Strasser, EGDU", was in der Langfassung bedeutet:

"Doktor Ernst ,Leider ist aus der vielen Kohle jetzt doch nichts geworden' Strasser, Es Gilt Die Unschuldsvermutung".

Die gilt ja eigentlich mittlerweile fast generell für unsere lieben heimischen Politiker, egal ob sie in St. Pölten oder in Brüssel sitzen. Und ich sage nicht zufällig "St. Pölten", denn es IST wohl kein Zufall, dass der Herr Strasser aus der Kaderschmiede des Erwin Pröll, EGDU, stammt. Eines Onkels, der zusammen mit seinem Freund von der anderen Seite, Michael Häupl, das Skylink-Debakel zu verantworten hat. In dessen schönem Land auch jene Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt zu Hause ist, die derzeit gegen Tierschützer wie gegen Terroristen vorgeht; einem Land, in dem es auch passionierte Jäger wie den Herrn Konrad von Raiffeisen gibt, die sich nicht gern von einem Verein gegen Tierfabriken ärgern lassen. EGDU, natürlich, für alle, immer und pauschal, manchmal sogar dann, wenn das Gegenteil als erwiesen gelten kann. Und deswegen wirkt's halt ein bissel komisch, unfreiwillig natürlich, wenn der Neffe Sauberkeit von jenen fordert, die der Onkel gezüchtet hat.

Und Strasser, wie ich im Titel dieses Beitrags sagte, tut genau das, was alle, die nicht seines Geistes sind, von ihm nicht anders erwartet haben: er leugnet, leugnet, leugnet. Er spricht von einer "Kampagne" gegen ihn und sagt, dass er ja nur deshalb zurücktrete, um seiner Partei nicht zu schaden. (Und selbst das täte er nicht, wenn ihm der Neffe nicht eben den Rücktritt geradezu befohlen hätte.) Wenn das tatsächlich seine Absicht gewesen wäre, dann hätte er sich vielleicht vor der letzten EU-Wahl lieber nicht mit aller Gewalt auf den ersten Listenplatz boxen und den armen, mir anständig erscheinenden Othmar Karas, der sich mit solchem Gezücht abgeben muss, verdrängen sollen. Hat er aber, der Ernstl, und jetzt muss sich halt die ÖVP-Fraktion in Brüssel einen neuen Delegationsleiter suchen. Man darf gespannt sein, ob Strasser überhaupt angeklagt wird und ob, wenn ja, es zu einer Verurteilung kommt.

Man darf mit Fug und Recht daran zweifeln, wenn man sich anschaut, was sich in diesem Land, sonst so abspielt, EGDU. Da ist einmal Karl-Heinz "Ich-bin-entsetzt-wie-beschissen-und-korrupt-dieses-Land-ist" Grasser, der mit dem vorher erwähnten Strasser nicht nur weite Teile seines Namens gemeinsam hat, sondern auch die pragmatische Einstellung zum Verhältnis jenes Teils seiner Aufmerksamkeit, den ein Politiker öffentlichen Interessen, und jenes Teils, den er seiner privaten Einkommensmaximierung widmen sollte, also ca. 1:99. Da wartet man Monat für Monat darauf, dass endlich Anklage erhoben wird, gegen Grasser selbst und gegen seine Kumpanen, wie den landläufig bekannten Walter "Wos-woa-mei-Leistung?" Meischberger, der wenigstens für einen Lacherfolg gesorgt hat, und nicht einmal das kann man Grasser zugutehalten. Was geschieht? Nichts.
Grasser wird einvernommen, sein Anwalt Ainedter tritt vor, nimmt kurz den Tschick aus dem Mund, um den Stehsatz abzuliefern, den, ebenso wie die Langfassung von EGDU, jeder österreichische Journalist schon per Kürzel gespeichert hat: "Da ist nichts dran." Um sich dann wieder ungestört der Nichtraucherverfolgung zu widmen.

Dann haben wir natürlich die sauberste Fraktion innerhalb des Parteispektrums der Saubermänner: die "FPK", wie das neuerdings heißt. Der oberste dieser Saubermänner hat sich ja vor einiger Zeit in einem sauberen Rausch, na sagen wir: verabschiedet. Und wie das halt bei Diadochenkämpfen so zu sein pflegt, haben danach einige gewonnen, einige verloren, einer -- der Lebensmensch Petzner -- kam sogar vor Gericht, allerdings wegen relativer Bagatellen, der hatte, glaub ich, nicht einmal einen sechsstelligen Betrag unterschlagen, und sicherheitshalber auch hier: EGDU, obwohl ich mir da, eigentlich, schon nicht mehr ganz sicher bin.
Aber da gibt's ja jetzt den Spross der "Herrenbauernfamilie" (einer der vielen Kärtner Euphemismen für "Nazis"), Uwe Scheuch. Und man versteht ja, warum solche Leute gegen eine Erweiterung der polizeilichen Möglichkeiten des Datenzugriffs sind, werden doch blöderweise immer wieder peinliche Telefonate mitgeschnitten, denen wir nicht nur den "Woas-woa-mei-Leistung"-Lacher zu verdanken haben, sondern auch die Erkenntnis, dass Scheuch nicht Englisch kann, dass er aber dennoch die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an einen finanzkräftigen Russen als Gegenleistung für sinnvolle Investionen (z.B. in die Parteistrukturen des damaligen BZÖ) für "nonanet part of the package" hält. EGDU. Angeblich ermittelt auch hier die Staatsanwaltschaft.

Inzwischen hat die FPK eine ihr gehörende Werbeagentur in verdächtiger Eile zugesperrt. Ein Schelm, wer da von der Vernichtung von Beweisen spräche, EGDU.

Andererseits treiben in diesem Land ganz üble Neonazis ein erstaunlich ungestörtes Handwerk. Da gibt es eine Website, die bekanntlich "Alpen-Donau-Info" heißt und deren Dateien auf einem amerikanischen Server liegen. No, ahschowos, würde man sagen. Immer wieder liest man, wie mittels internationaler Zusammenarbeit ganze Netzwerke von Pädophilen auffliegen, wie -- beeindruckenderweise -- in vielen Ländern gleichzeitig Hausdurchsuchungen und Verhaftungen stattfinden. Man liest Interviews mit einem mutigen Polizisten, der darauf hinweist, dass es ganz leicht wäre, die Verantwortlichen in Österreich mit ein paar Cybertricks auszuforschen, wenn man denn nur wollte. Doch man will nicht, und derselbe Polizist sagt auch, warum: weil die Sympathisanten dieser Leute, dank Wolfgang Schüssel, mittlerweile in so vielen hohen und einflussreichen Positionen sitzen, dass NS-Wiederbetätigung hierzulande zwar nominell immer noch strafbar, aber de facto so gut wie sakrosankt ist. Und in diesem Fall gilt nicht mehr die Unschuldsvermutung, sondern eher ihr Gegenteil. Was mich auf das Thema "Codes und Lügen" bringt, dem ich aber bei nächster Gelegenheit ganz gern ein eigenes Elaborat widmen möchte.

3 Kommentare:

  1. Bravo , gut gesagt/geschrieben !

    Grüsse aus der Schweiz : St.

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  2. Darf man hier auch kritische Kommentare machen, oder setz ich mich damit in ein Brennesselfeld, das obendrein noch von Skorpionen bewohnt ist :)

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  3. Also, um es hier noch einmal öffentlich zu sagen: Jeder kritische Kommentar ist erwünscht, sofern er nicht beleidigend wird.

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