Seiten

Freitag, 25. März 2011

Erhard Busek ist 70

Sweet Suite. Ich kann irgendwie nicht aufhören, obwohl ja absehbar ist, dass das Schreiben für Suite101 kein Geld bringt und selbst bei explosionsartigem Anwachsen der Textmenge wahrscheinlich nie bringen wird, wenn man keine Lust hat, über das Wetter zu schreiben, über nützliche Babytipps oder über "Deutschland sucht den Superstar" (mit Sicherheit vergeblich).

Nein, es wird nichts bringen außer einer gewissen Freude, und vielleicht irgendwann den ersten zehn Euro, die mir als Tantiemen überwiesen werden (momentan bin ich bei 3,04 €), das wird dann sowas wie Dagobert Ducks erster selbstverdienter Taler.

Jetzt hab ich gerade einen lobenden Artikel über Erhard Busek verfasst. Der Mann steht zwar in mancher Hinsicht sicher nicht für etwas, was ich haben will (etwa was den Katholizismus betrifft), aber ich würde viel lieber mit dem Busek über Religion streiten als mit Faymann über irgendetwas einig sein. Und von Schüssel würd ich nicht einmal einen Gebrauchtwagen kaufen.

Ja, ich weiß, ich habe ein Tabu gebrochen und Erhard Busek mit Bruno Kreisky verglichen. Und ich steh dazu – glaube sogar, dass Busek der intelligentere und vor allem stabilere Mensch ist, einer, der nicht so neurotisch gegen seine Herkunft kämpft wie Kreisky das getan hat. Busek hat sich über Kreisky in einem kurzen, aber einsichtsvollen Artikel geäußert, den ich vorhin ergoogelt habe.

Man braucht Busek schon dazu, um zu sehen, dass man die meisten Politiker, die man nicht mag (also die meisten), nicht deswegen nicht mag, weil sie in der falschen Partei sind, sondern deswegen, weil sie einfach kein Niveau haben. Busek wird – von manchen in durchaus verächtlicher Absicht – eine "Intellektualität" unterstellt, die eigentlich selbstverständliches Niveau in der Politik sein sollte, die es aber – fast noch selbstverständlicher – keineswegs ist. Das hat übrigens, eine weitere Parallele, auch Kreisky in seiner Autobiographie beklagt. (Ich meine hier die einbändige Kurzfassung, in der es ein Kapitel gibt, das "vom Niveau der heutigen Politik" [oder so ähnlich] heißt und damit wohl etwa die mittleren bis späten Achtzigerjahre meint. Kreisky spottet darin über Politiker, die in ihrem Leben kaum was gelesen haben, keinerlei Allgemeinbildung besitzen und – das sind jetzt meine eigenen bösen Worte – deren Horizont etwa dem einer Kellerassel gleicht. Da fallen einem aber heute ziemlich viele ein, die klare Mehrheit unserer Politiker besteht aus solchen Ungestalten.)

Umso mehr, und umso angenehmer (wenngleich nicht unbedingt für von ihm gerüffelte Parteifreunde und -feinde), fällt da ein Erhard Busek auf. Ein Mann, der sich auszudrücken weiß, der etwas zu sagen und es nicht nötig hat, in die unterste Lade zu greifen, wenn er jemanden beschimpfen will. Ein Mann, der sehr im Gegensatz zu Franz Vranitzky nicht der Ansicht ist, dass jemand, der Visionen hat, zum Psychiater gehen sollte. Ein Mann, der sich seit Jahrzehnten für Mitteleuropa einsetzt, ein Mitteleuropa, von dem die erwähnten Kellerasseln gar keinen Begriff haben, so sie denn überhaupt Begriffe ihr Eigen nennen. Ein Mitteleuropa, dessen vertane Chancen – ebenso wie jene, die etwa in der städtebaulichen Entwicklung Wiens an der Donau gelegen wären, wenn man sie denn nur ergriffen hätte – Tag für Tag schmerzlicher werden.

Natürlich sind selbst Österreichs unfähige Politiker nicht an allem schuld. Aber man kann sich des Gedankens nicht erwehren, dass vielleicht manche Grauslichkeiten sowohl hierzulande (leider hinlänglich bekannt) als auch in Nachbarländern wie Ungarn (Faschistengarden, Medien"gesetze") oder der Slowakei (Terror und Mord gegen Roma und Sinti) unterbleiben oder weniger krass hätten verlaufen können, wenn den Menschen hier wie dort die Perspektive eines prosperierenden und zusammenwachsenden Mitteleuropa geboten worden wäre. Nicht als Antithese zur EU, sondern vielmehr als sinnvolle Konsequenz der europäischen Einigung.

Aber es fehlt uns natürlich das Geld, das wir ja stattdessen besser dafür verwenden, um die Schulden einer internationalen Spekulantenbande zu bezahlen. Man nennt das heutzutage einen "Schutzschirm", nur wer da tatsächlich beschützt wird, das verschweigt man keusch. Es sind jene, die ihre Schäfchen längst im Trockenen haben, wenn die durch sie mitverursachten Staatsbankrotte stattfinden, in Irland, in Griechenland, in Portugal. Zahlen dürfen diese Rechnung natürlich wir, und diese tatsächlich unhaltbaren Zustände erleichtern es verschiedenen Verrückten – von sächsischen Neonazis bis zu ungarischen Hahnenschwänzlern – ihren Anti-EU-Wahnsinn unters Volks zu bringen.

Aber eigentlich wollte ich über Busek schreiben, der genau heute seinen 70. Geburtstag feiert. Ein Politiker, wie es immer zu wenige geben wird. Man hätte ihm – und Österreich – eine größere innenpolitische Karriere gewünscht. Die ist aber letztlich daran gescheitert, dass der Großteil der ÖVP, bundesweit sowieso, aber sogar auch in Wien, nicht für jene Werte stand, die Busek nicht nur vertritt, sondern verkörpert: Urbanität, Toleranz, Intellektualität und aktive, geistig, intellektuell und politisch integrierende Nachbarschaftspolitik in einem neuen Mitteleuropa. Das liest sich wie eine Wahlbroschüre, aber da er nicht zur Wahl steht und da man mir auch keine Sympathien zur ÖVP nachsagen kann, mag man glauben, dass ich es ernst meine.

Wofür übrigens die ÖVP stattdessen steht (wenn überhaupt noch für irgendwas), das werde ich anderer Stelle sagen, denn es würde die Gratulation entwerten: ad multos annos.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen